Reisebericht vom 16. Juli 2009

Ab Edmonton verlassen wir den Yellowhead Highway und fahren Richtung Norden. Die Strasse ist in einem guten Zustand und so kommen wir zügig voran. Die Landschaft hat sich nun verändert. Die grossen Weizenfelder sind den kanadischen Wäldern gewichen. Das Land ist aber weiterhin sehr flach und so sehen wir die Strasse bis weit zum Horizont. Nach einigen Stunden Fahrt erreichen wir die Ortschaft Slave Lake am gleichnamigen See. Hier ist der Diesel noch etwas günstiger als an manchen abgelegenen Orten. Also machen wir unseren Tank wieder randvoll. Nach dem Tanken kommt ein Mann auf einem Squad auf uns zu und fragt, ob das unser Truck sei. Er ist sichtlich hin und weg. Sein Bruder und er seien begeisterte Off-Roader usw. Er und seine Familie betreiben den Truck Stop. Wir nutzen die Gelegenheit und fragen, ob wir hier übernachten könnten. Sofort sagt er, dass er einen schöneren Platz für uns hat. Das ganze Land da hinten gehört seiner Familie. Es ist Indianer-Land und wir könnten uns wo immer wir wollen hinstellen. Auch Feuer machen sei kein Problem. Ja super, also übernachten wir bei den Indianern. Er kommt später nochmals auf seinem Squad angebraust, bewaffnet mit einem Fotoapparat und will uns verewigen. Er teilt uns auch mit, dass er der ganzen Familie Bescheid gegeben habe, dass wir hier stehen und wünscht uns eine gute Zeit.
Leider hat es in der Nacht etwas geregnet. Es ist immer noch sehr bewölkt, trotzdem fahren wir weiter Richtung Norden. Wir hätten hier noch die Möglichkeit gehabt am See entlang zu fahren um so wieder auf den Yellowhead Highway zu gelangen. Wer aber der Strasse 88 weiter nach Norden folgt, sollte sich gut ausrüsten. Denn ab Red Earth ist es eine Gravel Road für ca. 220 Kilometer. Auf der Fahrt bis Red Earth regnet es immer wieder. Es kommen uns kaum Autos entgegen, schon gar nicht Touristen. Wer die Einsamkeit sucht, ist hier auf dem richtigen Weg. An der Strasse entlang sehen wir immer wieder grosse Ölpumpen. Alberta verfügt über reiches Ölvorkommen. Gerne würden wir hier auch ein bisschen pumpen um an das schwarze Gold zu gelangen. Aber wir belassen es beim Fotografieren. Bevor wir das Abenteuer über die inzwischen völlig aufgeweichte Gravel Road wagen, stärken wir uns in Red Earth nochmals mit Kaffee. In dem kleinen Dorf leben ausschliesslich Menschen Indianischer Abstammung die sich aber nicht zu Pferd sondern in modernen Pickups fortbewegen. Und dann wagen wir die Fahrt über die, na ja Gravel Road wäre ja kein Problem, es ist inzwischen eine Schlamm Road. Schnell wird unser „Hüsli“ dreckiger und dreckiger. Der alte Saurer muss hart arbeiten und den Hänger hinter sich her durch den Schlamm ziehen. Ab und zu versucht der Anhänger sogar den Saurer zu überholen, was wir mit gegensteuern zu verhindern wissen. Auf der Fahrt werden wir dafür mit Bären und Wölfen, die unseren Weg kreuzen, belohnt. Ganze fünf Fahrzeuge kreuzen unseren Weg durch den Schlamm. Bei Fort Vermilion ist der Spass vorbei und die Strasse wieder geteert. Unser „Hüsli“ braucht jetzt aber dringend eine General-Reinigung. Leider finden wir in dem kleinen Dorf aber nichts dergleichen. Dafür einen gut geeigneten Platz in einer Rest Area zum Übernachten. Bevor wir aber in unser trautes Heim können, müssen wir mit der Spritzkanne den gröbsten Dreck beseitigen um überhaupt an die Verschlüsse der Blache zu gelangen.

Die 70 km bis High Level bewältigen wir im Nu. Hier treffen wir wieder auf den „normalen“ Weg, den Mackenzie Highway. Er führt von Grimshaw/Alberta in das südwestliche Kernland der Northwest Territories, wurde 1949 eingeweiht und blieb bis zur Eröffnung des Liard Highway 1984 die einzige Landverbindung. Er ist bis Wrigley ca. 1200 km lang. High Level ist wieder ein etwas grösserer Ort, so finden wir auch sofort eine Waschanlage um unser „Hüsli“ vom Schlamm zu befreien. Mit zwei Hochdruckreinigern spritzen wir von allen Seiten auf das „Hüsli“ ein. Ups, CA$ 55.-- kostet uns der Spass. Beim Tanken merken wir, dass wir durch die Schlammstrasse bedeutend mehr Diesel verbraucht haben als gewöhnlich. Der Dieselverbrauch ist von durchschnittlich 31 l auf 37 l pro 100 km gestiegen. Wir setzen unseren Weg fort, denn es ist immer noch sehr weit bis Yellowknife. Und so erreichen wir gegen Abend den 60zigsten Breitengrad und auch die Grenze zum Northwest Territories.

Das waldreiche Mackenzie Lowland, Einzugsgebiet des Mackenzie River und nördliche Fortsetzung der Great Plains der Prärieprovinzen, bestimmt das Landschaftsbild der Northwest Territories. Nach einigen Stunden Fahrt erreichen wir Enterprise mit seinen 100 Einwohnern. Der Mackenzie Highway wendet sich hier nach Westen. Wir fahren geradeaus auf den 38 km langen Hay River Highway zur zweitgrössten Ortschaft der Northwest Territories. Hay River besitzt einen kleinen Hafen, in dem Fischerboote und Frachtschiffe liegen, die entlegene Gebiete am Great Slave Lake bedienen. Ansonsten ist der Ort nicht sehr interessant und so fahren wir die 38 km zurück nach Enterprise und folgen weiter dem Mackenzie Highway. Stundenlang fahren wir immer geradeaus. Ja schon fast langweilig. Unterbrochen wird die Eintönigkeit durch die Alexandra Falls die wir kurz besichtigen und fotografisch festhalten. Nicht umsonst wird diese Route auch die Wasserfall-Route genannt. Es folgen weitere, zum Teil imposante Wasserfälle, wie in der Twin Falls Gorge.

Heute ist Canada Day (Nationalfeiertag) und so wollen auch wir Flagge zeigen. Dafür befestigen wir am „Hüsli“ links und rechts eine Kanada-Flagge. Voller Stolz fahren wir den Highway entlang und erreichen den Mackenzie River. Um den Fluss zu überqueren besteht eine kostenlose Fähre, die Brücke ist erst im Bau. Auf der anderen Seite fahren wir nur wenige Kilometer und schon begegnen wir den ersten Bisons am Strassenrand. In Fort Providence, ein 730-Seelen-Dorf mit überwiegend indianischer Bevölkerung machen wir Pause. Es gibt nur ein Rasthaus mit Restaurant, Motel und Tankstelle. Uui, Uui Uui, der Dieselpreis ist hier aber sehr hoch (was bei abgelegenen Orten nicht unüblich ist). Da wir genug Reserve-Diesel mitführen, belassen wir es beim Kaffeetrinken. Auf den folgenden 80 km bildet die Strasse die Westgrenze des Mackenzie Bison Sanctuary, Reservat einer Herde reinrassiger Wood-Buffalos. Von den über 2000 Waldbisons weiden immer wieder Einzelne, manchmal auch in Gruppen, am Strassenrand. Gemütlich hocken die Viecher hier, kauen Gras vor sich her und interessieren sich kaum für uns und unser lärmendes Fortbewegungsmittel. Teilweise stehen sie auch auf der Strasse und zwingen uns zum Anhalten. Die Strasse bietet auf den folgenden 200 km kaum Abwechslung. Im Bereich des North Arm des Great Slave Lakes übernachten wir am Strassenrand.

Der Übergang von den bewaldeten Ebenen der Mackenzie Lowlands zur felsigen Hügellandschaft des Kanadischen Schildes, erfolgt rund 100 km westlich von Yellowknife. Und dann ist es soweit, endlich, nach unzähligen Stunden und insgesamt 14‘857 gefahrenen Kilometern, erreichen wir Yellowknife! Die nach den kupfernen Messern der dort ansässigen Indianer benannte Stadt existiert erst seit knapp 70 Jahren. Die Entdeckung von Gold hatte 1934 erstmals weisse Siedler in die Gegend nördlich des Great Slave Lake gebracht. Anders als etwa beim Klondike Goldrush ab 1898 kamen damals nicht Tausende, um in mühseliger Handarbeit Pay Dirt zu waschen, sondern die Goldgewinnung nahm rasch industrielle Formen an. Yellowknife, an der Back Bay der Slave Lake Nordküste gelegen, beherbergt heute mit ca. 18‘700 Einwohnern fast 45 % der Bevölkerung der Territories. Als Hauptstadt und Verwaltungszentrum verfügt sie über eine komplette Infrastruktur. Da wir nicht gerne zum Schlafen zahlen, sind wir heute ein bizeli Fräch und stellen uns posierend vor das Welcome to Yellowknife-Schild am Ortseingang hin. Auch mitten in der Nacht sind wir noch gut sichtbar, denn in Yellowknife herrscht im Sommer 23 Stunden Tageslicht.

Per Motorrad erkunden wir die Stadt. Wir müssen unser Portemonnaie mit Bargeld auffüllen und einige Dinge einkaufen. Unter anderem haben wir unserem „Hüsli“ als Dankeschön für die geleisteten Kilometer ein Souvenir gekauft. Nun schmückt ein Bären-Nummerschild sein Kühlergitter. Zwischendurch kommt leider ein Regenguss, aber das kann doch einen Indianer nicht erschüttern und so fahren wir weiter in der Stadt herum. Neben dem modernen Stadtzentrum besitzt Yellowknife noch einen historischen Stadtkern. Den besten Überblick über diese „Old Town“ haben wir vom Pilot’s Monument auf der dem heutigen Stadtzentrum östlich vorgelagerten Landzunge. An Back Bay und Yellowknife Bay liegen zahllose Hausboote und Wasserflugzeuge. Und nun stehen wir hier und denken zurück, als wir noch in Winnipeg waren. Die Fahrt nach Yellowknife hat uns 12 Tage und mehrere hundert Liter Diesel gekostet. Einen Mehr-Kilometer-Aufwand von über 1‘600 und trotzdem sind wir überglücklich diesen Abstecher und die damit verbundene Mühe (Gravel/Schlamm Road, dreckiges „Hüsli“, putzen etc.) auf uns genommen zu haben. Und wer kann schon von sich sagen, er sei in Yellowknife gewesen?



Heute verlassen wir Yellowknife wieder. Bis Fort Providence sind es 300 km die wir auf dem gleichen Weg zurückfahren müssen. Die Landschaft bietet uns ja nichts Neues, nicht einmal die unzähligen Bisons, die am Strassenrand auf uns warten, überzeugen uns zu einem Fotostopp. Der Besitzer des Rasthauses in dem wir ja schon einmal waren, erinnert sich sofort an uns, denn unser Vehikel ist zu auffällig. Er fragt uns, wie es in Yellowknife war und wir fragen ihn, ob wir hier auf seinem Gelände übernachten dürfen. Ohne zu zögern willigt er ein und wir sind schlau genug und positionieren uns so, dass wir sein Wireless-Internet empfangen. Den Zugriffs-Code besitzen wir noch von unserem ersten Besuch. Nach Mitternacht wagen wir einen Blick nach draussen, malerisch spiegelt sich der Mond über dem Mackenzie River, während auf der anderen Seite die Sonne leuchtet.

Wir stehen nicht so früh auf, es ist ja Sonntag, trinken unseren Morgenkaffe und essen unser selbst erfundenes Müesli. Dabei berechnen wir aufs Genauste unseren Dieselvorrat, Verbrauch, Distanz von-bis, denn Tankstellen sind im Norden dünn gesät, auch kann es vorkommen, dass eine Tankstelle da wäre, aber out of Diesel ist. Unsere Route führt uns weiter auf dem Mackenzie Highway, ab Checkpoint geht’s weiter auf dem Liard Trail. Das heisst, 450 km Gravel Road und keine Tankstelle dazwischen. Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als hier mit dem teueren Diesel unsere Tanks zu füllen. Die Fähre bringt uns in wenigen Minuten wieder über den Mackenzie River und schwups, sind wir beim Abzweiger zu der Gravel Road. Zu unserer Überraschung ist sie in einem guten Zustand. Wir können mit Vollgas darüberbrettern, kaum Löcher, dafür ziehen wir eine riesige Staubwolke hinter uns her. Oh nein, jetzt fängt es an zu regnen. Aus der Staubwolke wird eine Staubpappe, die unser „Hüsli“ samt Anhänger weiss färbt und konserviert. Irgendwo in der Wildnis zwischen Baum A und B bleiben wir stehen und übernachten.

Bis nach Checkpoint sind es nur noch wenige Kilometer. Hier, wo der Liard Trail abzweigt, wäre die einzige Möglichkeit zum Tanken und genau die ist Out of Order, wegen Zu geschlossen. Gut haben wir alle Tanks gefüllt und so tanken wir auf unsere eigene Weise (Reserve-Tank vom Anhänger). Der Liard Highway führt uns durch einsame Waldlandschaft. Obwohl er die einzige direkte Verbindung zwischen den Northwest Territories und British Columbia darstellt, ist das Verkehrsaufkommen gering. Unterwegs grasen immer wieder Bisons am Strassenrand, und manchmal legen die mächtigen Tiere auf dem Highway eine verkehrsblockierende Siesta ein. Einen Zwischenstopp machen wir im Blackstone Territorial Park. Im Visitor Center werden wir freundlich mit Kaffee und Brownies begrüsst (kostenlos). Hier haben wir einen herrlichen Fernblick auf den Nahanni Butte (1396 m) am Zusammenfluss von South Nahanni und Liard River. Dann erreichen wir Fort Liard mit seinen 580 Einwohnern. Der Ort liegt 6 km abseits des Liard Highways und ist nicht sehr attraktiv. Er bietet aber die einzige Möglichkeit um zu tanken. Mamma mia, hier ist der Diesel ja noch teurer. Aber wir haben keine Wahl. Mit vollen Tanks ziehen wir von dannen und nutzen gleich den Hay Lake Campground am gleichnamigen See. Fort Liard stellt diesen Gratis zur Verfügung. Wir parken direkt am See und wollen so noch ein bisschen auf dem Balkon die Sonne geniessen. Aber zu unserem Entsetzen ist vom heutigen Staub vieles auch in unseren Wohnbereich gelangt. Mit nur ein bisschen Staubwischen ist es nicht getan. Der Boden muss nass aufgenommen werden, alles ausgeschüttelt, Tisch, Fenster, Bank und Küche müssen feucht abgewischt werden, alles in allem mind. 2 Stunden Arbeit. Danach gönnen wir uns ein kühles Bier, das wir natürlich noch irgendwo gebunkert haben und das nicht staubig geworden ist.



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