Reisebericht vom 20. Juni 2009

Ganz gemütlich stehen wir auf und machen uns reisefertig. Denn gar nicht weit von hier donnert das Wasser des Riviére Montmorency in einem spektakulären Wasserfall 83 m tief ins Tal des St. Lorenz. Von den Parkplätzen unten führt eine Seilbahn und eine steile Holztreppe (die wir natürlich bevorzugen) zur Manoir Montmorency, einer hochherrschaftlichen Villa. Dort überquert eine Hängebrücke die Sturzflut. Ein wahrlich komisches Gefühl, wenn unter einem das Wasser tosend in die Tiefe stürzt. Am Ende der Hängebrücke hören wir plötzlich etwas in den Bäumen rascheln. Nach genauem hingucken erblicken wir unseren ersten Elch, der sich aber leider in eine missliche Lage gebracht hat. Am steilen Abhang, hoch über dem Wasserfall steht er und sucht einen Weg nach unten. Wie um Himmelswillen ist der nur da hoch gekommen. Wir beobachten eine Weile das arme Tier, und gehen wieder nach unten. Beim Parkeingang fragen wir, ob wir hier übernachten könnten. Man gibt uns die Erlaubnis. Etwas später treffen wir wieder auf einen alten Freund. Der Elch von vorhin hat nun einen Weg nach unten gefunden, hat sich aber dabei massiv verletzt. Nun humpelt er im Wasserbecken herum. Mehrere Stunden hockt das arme Tier nun im Wasser, erschöpft von den vielen Versuchen aufzustehen. Aber seine Verletzung an den Hinterbeinen raubt ihm alle Kraft. Auch der dazugekommene Ranger schafft es nicht den verirrten Elch aus dem Wasser zu scheuchen. Wir können gut beobachten, wie der arme Elch leidet. Und so tut der Ranger das einzig Richtige und erlöst das Tier mit zwei Schüssen. Ja, so was blödes, wir haben nun endlich einen Elch gesehen, aber auf diese Weise wollten wir es eigentlich nicht. In der Nacht wird der Wasserfall wunderschön beleuchtet, was uns natürlich zu später Stunde mit Fotoapparat ins Freie treibt.
Bis nach Québec City sind es nur einige Kilometer. Die Hauptstadt der Provinz Québec ist die älteste Stadt des Kontinents, hat eine vollständig erhaltene Altstadt aus dem 17. und 18. Jahrhundert und die einzige unzerstörte Stadtmauer. 1985 wurde Alt-Québec als Wiege der französischen Kultur in Nordamerika zur UNO-World-Heritage-Site. So lupenrein französisch wie dort geht es nicht einmal in Montréal zu. In Québec wird nicht „auf französisch gemacht“, dort ist Frankreich: In den Kneipen und Restaurants, in den Kinos und Konzertsälen und in der Boulangerie um die Ecke. Der typische Québecois gibt sich französisch, intellektuell, kulturinteressiert und separatistisch. Aber Québec ist kein vom Tourismus abhängiges Museumsdorf, sondern in erster Linie Hafenstadt und Verwaltungszentrale. Mit unserem „Hüsli“ samt Anhänger fahren wir z‘mitzt durch die Altstadt hindurch und folgen weiter dem Flusslauf bis nach Trois-Rivières.

Noch 159 km trennen uns von Montréal. Unterwegs werden wir von einer Polizei-Patrouille angehalten. Nicht etwa wirklich um uns zu kontrollieren, nein, viel mehr zum Staunen und Befragen zwecks unseres Gefährts. Gleich mit zwei Polizeiwagen und Blaulicht, vier Mann stark, werden wir umringt. Freundlich werden wir bestaunt und natürlich fotografiert. Unser „Hüsli“ hängt jetzt sicher irgendwo in einem kanadischen Polizeirevier. In Montréal fahren wir nicht mit unserem „Hüsli“ in die Stadt, da wir uns diesen Stress nicht antun wollen. Genau dafür haben wir ja einen Töff dabei. Also steuern wir weit ausserhalb der Stadt einen Campground an um dort unser „Hüsli“ stehen zu lassen. Den Campground zu finden ist aber gar nicht so einfach. Als wir vor dem Tor stehen, kommt schon ein Mann im Laufschritt und begrüsst uns mit den Worten: „Hi Guys, where are you from? I like your Truck.“ Er bietet uns einen Spezial-Preis (Ja ja… guter Geschäftsmann), weil ihm unser Fahrzeug gefällt. CA$ 25.-- pro Tag, statt der üblichen CA$ 38.--. Wir nehmen das Angebot an und dafür bekommen wir ein schönes Plätzli abseits allen anderen Wohnmobilen. Fast mitten im Wald, ganz alleine für uns.

Mit unserem Töff fahren wir die 40 km in die Stadt. Auf dem Highway merken wir jedoch, dass wir Benzin verlieren. Sofort sieht Rico, dass das Benzinschlüchli defekt ist. Notdürftig kann er es beheben, aber wir werden später ein Neues besorgen müssen. Den Weg mitten ins Zenntrum finden wir mühelos. Montréal ist die nach Paris zweitgrösste französischsprachige Stadt der Welt. Nur jeder 10. Bewohner ist englischer, irischer oder schottischer Abstammung. Angelsachsen und andere Immigrantengruppen stellen zwar eine grosse Minderheit (30%), die Zweisprachigkeit der Stadt steht dennoch nur auf dem Papier. Leider spielt das Wetter nicht ganz mit, es regnet. Aber zum Glück gibt’s dafür eine gute Alternative: The Underground City. Ein Hochhausbau am Place Ville Marie war 1960 Startschuss für Montréals Facelifting und die Grundsteinlegung für die Underground City. Links und rechts Kioske in einer kurzen unterirdischen Passage, das kennen wir aus jeder grösseren Stadt, aber Montréal hat davon 30 (dreissig!) Kilometer. Nicht enge Röhren, sondern ein ganzes Geflecht mit Plätzen und Kreuzungen, 1800 Läden und Boutiquen, 200 Restaurants, Rolltreppen zu Bürotürmen, Kinos, Theatern, Hotels, Universität und Shopping Malls. Über mehr als 150 Eingänge taucht man ein in diesen konsum-paradiesischen Hades, eine vollklimatisierte Glitzerwelt nicht nur in Montréals langen Wintermonaten mit minus 25°C, sondern alltäglich auf dem Weg zur/von der Arbeit. Der Clou ist die Verbindung mit etlichen Metrostationen. Ein Drittel der 750‘000 Pendler wuselt im Untertagenetz, braucht selbst im Winter nur T-Shirt oder Pulli. Nachdem wir beim Chinesen Nudeln verspeist haben, machen wir uns auf den Weg zu einem Töff-Mechaniker. Schnell ist der Schaden behoben und wir lassen bei dieser Gelegenheit gleich noch einen Service machen.

Wir sind bereit Montreal und somit den Campground zu verlassen, beim Ausgang hält uns Michael mit seiner ganzen Familie, inkl. Bruder Richard auf. Alle sind gekommen um uns zu verabschieden und natürlich Fotos von unserem „Hüsli“ zu machen. Es wird posiert, gestaunt, diskutiert und Adressen ausgetauscht. Und zu guter Letzt senkt Michael den guten Preis von CA$ 25.-- auf CA$ 20.--. Anscheinend gefällt ihm unser Truck doch sehr gut. Dann setzen wir unseren Weg auf der Nebenstrasse Nr. 17 fort. Das Landschaftsbild wird von stattlichen Häusern und Landwirtschaft geprägt. Bis nach Ottawa, unserem heutigen Ziel, sind es doch noch einige Stunden Fahrt. Gegen Abend erreichen wir die Hauptstadt Kanadas. Auch in Ottawa bevorzugen wir es, auf einem Campground mit unserem „Hüsli“ zu stehen und per Motorrad die Stadt zu erkunden. Den Camping-Platz finden wir aber nicht auf Anhieb. Es ist schon spät geworden und so fragen wir bei einer Tankstelle, ob wir hier über Nacht stehenbleiben könnten. Der freundliche Tankwart meint, er müsse zuerst seinen Chef, den Besitzer fragen, was er sofort telefonisch macht. Der gibt sein Okay. Der Tankwart gibt uns für den Fall einer Polizeikontrolle, Name und Telefon-Nummer des Besitzers. Und so stehen wir neben der Waschanlage gratis und bewilligt. Auch okay.

Auch hier haben wir gut geschlafen und niemand hat wirklich Notiz von uns genommen. Beim erneuten Versuch finden wir den Camping-Platz auf Anhieb. Leider fängt es schon an zu regnen und so werden wir unsere Stadtbesichtigung von Ottawa auf morgen verlegen, in der Hoffnung, dass das Wetter dann wieder besser ist.

Beim Aufstehen macht es den Anschein, dass das Wetter heute mitspielt. Wir können sogar auf dem Balkon frühstücken. Danach entladen wir unseren Töff und brausen in die Stadt. Der Spitzname Westminster of the Wilderness bringt Historisches auf den Punkt. Als Queen Victoria 1857 auf der Suche nach einem geeigneten endgültigen Regierungssitz für Kanada war, liess sie ihren königlichen Finger über der Landkarte kreisen. Er traf – zum Entsetzen der anderen Hauptstadt-Aspiranten Montréal, Kingston und Toronto – das damals unbekannte Holzfällerstädtchen Ottawa, wo ein Haufen ungehobelter Rauhbeine lebte. Aber die Entscheidung für den Aussenseiter-Bewerber war kein Zufall. Die Königin ging damit auf sichere geographische Distanz zu den seinerzeit noch feindlich gesinnten Amerikanern und legte mit politischer Weisheit die kanadische Kapitale genau auf die Nahtstelle zwischen Ontario und das frankophone Québec. Da es in Ottawa keinerlei für eine Hauptstadt geeignete Infrastruktur gab, musste alles neu geschaffen werden. Und so setzte man ein neues Westminster samt einer Imitation von Big Ben, hier Peace Tower genannt, mitten „in die Wildnis“. Selbst die typisch britischen Wachen mit den knallroten Uniformen und Bärenfellmützen übernahm man. Die als Rideau-Kanal bezeichnete Wasserstrasse zwischen Ottawa und Kingston erinnert mit ihrem nostalgischen Charme an alte europäische Kanäle. Gleich acht Schleusen (alle handbetrieben) hintereinander sind zwischen Ottawa River und Kanalbeginn im Zentrum von Ottawa zu überwinden. Die Prozedur des Auf- bzw. Abschleusens dauert mindestens 2 Stunden. Auch einen Besuch wert ist der Byward Market, heut weit mehr als Obst- und Gemüsemarkt. Am späteren Nachmittag verlassen wir Ottawa und kehren zu unserem „Hüsli“ zurück. Auf der Rückfahrt fängt es schon wieder an zu regnen. Pfludinass erreichen wir den Campground.

Länger als nötig bleiben wir nicht in dieser Gegend, es regnet eindeutig zu viel. Dafür machen wir noch einen Abstecher zum Algonquin National-Park. Der Park liegt gute 200 km von Ottawa entfernt. Entlang der Route 60, die durch seenreiches Gebiet führt, schaffen wir es nur bis Madawasga, wo wir kurz hinter der Ortschaft, etwas versteckt hinter den Bäumen, unser Nachtlager aufschlagen.
Noch 30 km trennen uns vom Algonquin Park. Dort gibt es nicht nur Elche, Bären, Biber und den Common Loon (eine Wildenten-Art mit klagenden, weithin tragenden Lauten) sondern auch Wölfe. Beim Parkeingang muss man sich registrieren, wir beabsichtigen hier zu Übernachten und einige Wanderungen zu unternehmen. Kurz nach dem Parkeingang erreichen wir den ersten der 15 Trails, den Beaver Pond. Den nehmen wir gleich unter die Füsse. 2 Kilometer gilt es zu latschen. Zu sehen sind schöne Ausblicke auf einen See, eine etwas verwilderte Waldlandschaft und zwei gewaltige Dämme, geschaffen von Bibern. Nach dieser Anstrengung ist doch ein Kaffee fällig, den wir uns im Info-Zentrum genehmigen. Danach lockt der Lookout-Trail. Auch eine Wanderung von ca. 2 Kilometern, auf der man sich aber die meiste Zeit bergauf kämpft. Oben angelangt, hält der Name was er verspricht; ein gewaltiger Blick über die Parklandschaft, so weit das Auge reicht. Zum Übernachten wählen wir den etwas abgelegenen Campground (wildes Übernachten ist strengstens verboten) Rock Lake. Erneut muss man sich registrieren, eine Gebühr bezahlen und kann dafür idyllisch schlafen. Wir ergattern ein mega cooles Plätzli, direkt am See, direkter geht es gar nicht.
Nach kurzem erscheint ein älteres Ehepaar, die für ein Schwätzchen vorbeikommen. Als Dragon (Onkel Buck) und Neda stellen sie sich vor. Dragon ist sofort hin und weg und schwer verliebt in unser „Hüsli“. Er kann es kaum fassen, wie, wo, was, warum und wieso! Er zückt einen Plastiksack aus seiner Hosentasche und schenkt uns einfach so acht Pins. Höflich fragt er, ob er morgen Fotos von uns und unserem Fahrzeug machen dürfe. Selbstverständlich willigen wir ein. Bis spät müssen wir immer wieder nach draussen gehen um dieses gewaltige, farbliche Naturschauspiel, das sich mit der untergehenden Sonne auf der Wasseroberfläche widerspiegelt, zu Bestaunen und natürlich fotografisch und filmisch festzuhalten. Farben von denen wir nicht einmal wussten, dass es sie überhaupt gibt.

Heute scheint ein schöner Tag zu werden. Dies wollen wir nutzen um einen der längeren Trails, den Booth’s Rock (8 km) unter die Füsse zu nehmen. Noch bevor wir aufbrechen, erscheint Onkel Buck mit Gemahlin und beschenkt uns erneut. Nun besitzen wir eine Kanada-Fahne und ein selbstgemachtes Bären-Vertreibungs-Instrument (Rätsche). Könnte vielleicht irgendwann nützlich werden, wer weiss?? Nach dem Mittag marschieren wir los. Zuerst führt uns der Weg weit hinauf zu einem Aussichtspunkt. Wunderschön ist die Sicht. Lange bleiben wir sitzen, geniessen die tolle Aussicht und saugen das Panoramabild in uns auf. Wir können uns kaum losreissen doch der Weg führt hinunter zu einem See und über eine stillgelegte Railroad gelangen wir wieder zum Ausgangspunkt. Am späteren Nachmittag sitzen wir auf dem Balkon, träumen vor uns hin, die Sonne scheint uns in Gesicht, leise plätschert das Wasser ans Seeufer……. geht’s noch schöner?

Leider müssen wir heute dieses traumhaft schöne, idyllische Plätzli verlassen. Denn wir wollen ja noch weitaus mehr von Kanada sehen. Erst kurz vor Mittag brechen wir auf und machen einen Stopp bei Onkel Buck’s Wohnwagen, der übrigens fest stationiert ist, um uns zu verabschieden. Sofort bewirtet uns Neda mit Kaffee und Guetzli. Die Verabschiedung fällt emotional und herzlich aus. Es ist schön, solche herzensgute Menschen kennenlernen zu dürfen. Bevor wir den Nationalpark endgültig verlassen, begeben wir uns nochmals auf eine kurze 2-Kilometer-Wanderung die sich aber im Nachhinein als nicht sehr attraktiv herausstellt. Bis Toronto sind es noch 250 km, die wir aber heute nicht mehr schaffen werden. Auf dem Highway Nr. 11 suchen wir uns eine geeignete Schlafgelegenheit.
Wir setzen unseren Weg fort, vorbei an der Stadt Barrie und erreichen die Millionenmetropole Toronto. Schnell wird uns klar, dass man hier aufpassen muss, um nicht den falschen Highway zu erwischen. Kreuz und quer, über und unter uns durch verzweigen sich die unzähligen Highways. Ob per Glück, Zufall oder durch Können erwischen wir den richtigen 16-spurigen Highway. Wir haben uns den 20 km vom Zentrum entfernten Campground Glen Rouge für unsere Toronto-Besichtigung ausgesucht. Für Toronto erscheint uns der Preis von CA$ 22.-- in Ordnung. Es ist schon spät am Nachmittag und trotzdem fängt Monika an, unsere schon lange überfällige Wäsche zu waschen.

Nach dem Frühstück wagen wir also die Motorrad-Fahrt in die City. Toronto, Ontarios Hauptstadt, hat viel mit New York gemein. Manche Filmszene, die angeblich in Manhattan spielt, wurde aus kostengründen tatsächlich in Toronto gedreht. Neben der vergleichsweise kleinen Downtown sind Torontos zahlreiche ethnische Viertel interessant. Sie liegen wie Mosaiksteine nebeneinander und geben der Stadt Farbe und Flair. In Toronto scheint die Idee der multikulturellen Gesellschaft weitgehend verwirklicht zu sein: Seit der Jahrtausendwende sind die Mehrheitsverhältnisse in der Stadt gekippt: Alle Visible Minorities („augenfällige“ Minderheiten, also besonders Asiaten und Schwarze) bilden erstmals die Mehrheit vor allen europastämmigen Einwanderern. Insgesamt leben in Toronto 180 Kulturen, und Englisch ist nicht die meistgesprochene Sprache daheim in den Familien. Und alle – so scheint es – leben recht einträchtig nebeneinander. Abends kann man angstfrei ausgehen und nachts ohne Sorgen vor Überfällen mit der U-Bahn nach Hause fahren. Mit unserem Töff fahren wir direkt in die Hauptachse der City, die quirlige Yonge Street. Sie hat viele Gesichter: Elegante Warenhäuser, Geschäfte und Restaurants, aber Richtung Süden verändert sie ihr Gesicht mit Billigläden, Fast Food, aber auch restaurierten Theatern, bevor sie kurz vor der Waterfront im Financial District endet. Nicht entgehen lassen wollen wir uns das Eaton Center das seit seiner Eröffnung vor über 20 Jahren eine Touristenattraktion ist. Seine Ausmasse und Grosszügigkeit setzen trotz neuer, noch grösserer Shopping Malls anderswo nach wie vor Massstäbe. Eine 450 m lange Glaskuppel sorgt tagsüber für relativ natürliche Lichtverhältnisse. Auf 4 Etagen warten 340 Shops, 65 Restaurants und ein Food Court auf Kunden. Ein Schwarm fliegender Gänse, die durch’s Atrium schweben, dient uns als perfektes Fotomotiv. Zu Fuss marschieren wir durch den Finanz Distrikt und gelangen so zur Harbour Front. Gleich dahinter steht der CN-Tower. Er ist mit 553 m der höchste freistehende Turm der Welt - doppelt so hoch wie der Eifelturm. Binnen 58 Sekunden geht es in gläsernen Liften aussen an der schlanken Nadel zum unteren Observation Deck in 346 m Höhe. Ein weiter Blick über Torontos Wolkenkratzer, die grünen Wohnviertel und den Lake Ontario sind der Lohn. Schwindelfreie können auf einem Stück durchsichtigen Fussboden 350 m tief durchs Glas hindurchschauen - bis auf die Strasse.

Schon um 6:00 h stehen wir auf und starten um 8:00 h zu den 130 km entfernten Niagara Falls. Es herrscht bereits Rush Hour und so kommen wir nur langsam durch und aus Toronto raus. Genau um die Mittagszeit treffen wir bei der Ortschaft Niagara Falls ein. Wir wählen gleich den erstbesten Campground, die Preise sind enorm touristisch hoch, also werden wir hier nur einmal übernachten. Für CA$ 6.-- erwerben wir gleich noch ein Busticket für den Shuttle Bus zu den Fällen. Dies erlaubt uns, den Bus so oft zu benutzen wie wir wollen. Auf der Fahrt durch die Stadt sind wir sehr erstaunt über das überbordende Kommerzangebot. Riesenrad, Achterbahn, Geisterbahn, Spielhöllen etc. alles ist vorhanden. Wir schauen uns gegenseitig fragend an; was hat das mit Niagara Falls zu tun? Die Fälle gelten heute weltweit als Top-Reiseziel. Die jährlich 14 Mio Touristen erwartet dort ein gewaltiges Naturschauspiel. Nach der letzten Eiszeit entstanden vor über 12‘000 Jahren die Great Lakes deren Überlaufwasser sich u.a. durch den Niagara River Richtung Meer ergiesst. Er ist ganze 56 km lang und fliesst vom Lake Erie nach Norden in den Lake Ontario, der das Wasser an den St. Lawrence River weitergibt. Auf seinem kurzen Weg mit insgesamt 99 m Gefälle durchschneidet der Fluss das Niagara Escarpment. Die Kraft seiner Strömung wusch den weichen Sandstein unter harten, aber porösen, wasserdurchlässigen Kalksteinschichten so lange aus, bis der Stein einbrach. Die stetige Erosion bewirkte eine Verlagerung der ursprünglichen Abbruchkante um etwa 1 m pro Jahr, im Laufe der Jahrtausende um insgesamt 11 km. Die kanadischen Horseshoe Falls sind zurzeit 54 m hoch und 675 m breit. Es gibt etliche Wasserfälle die weitaus höher sind als die Niagara Falls. Aber die Menge Wasser (158‘000 Liter pro Minute) machen sie einzigartig. Unser Fotoapparat läuft heiss, aus jedem Winkel wird wieder ein neues Foto geschossen. Die wechselnden Lichtverhältnisse erfordern immer wieder weitere Aufnahmen. Direkt am und über der Abbruchkante der kanadischen Horseshoe Falls werden wir grosszügig mit der Gischt besprüht. Von dort sehen und fotografieren wir im Sprühnebel den berühmten Regenbogen. Nicht entgehen lassen wollen wir uns einen Blick hinter den donnernden Wasservorhang. Ein Scenic Tunnel macht dies möglich. Wir werden in Plastik-Capes verpackt und so schickt man uns auf die Journey behind the Falls. Der Haupttunnel führt zu einer nassen Plattform seitlich der Fälle, 38 m unter der Abbruchkante. Ein weiterer Tunnel läuft durch den Felsen zu zwei Aussichtsöffnungen. Im Nachhinein sind wir von dieser Attraktion eher etwas enttäuscht. Wir ziehen uns zu unserem „Hüsli“ zurück, werden aber am Abend nochmals kommen, denn dann werden die Fälle beleuchtet.
Rot, grün, blau, violett, gelb oder bunt werden die kanadischen Horseshoe Falls sowie die American Falls mit überdimensionalen Scheinwerfern angeleuchtet. Faszinierend, schön, kitschig und doch eindrucksvoll reflektiert das Wasser die Farben. Erneut wird geknipst was das Zeug hält, ja Rico ist kaum noch zu stoppen. Erst nach Mitternacht kommen wir ins Bett.



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