Reisebericht vom 23. August 2009

Heute verlassen wir Kanada. Wir wollen über den Top of the World Highway nach Alaska. Bevor wir die Stadt aber endgültig verlassen, füllen wir nochmals unsere Lebensmittel und unsere Tanks auf. Dabei treffen wir immer wieder auf Leute mit denen wir ein Plaudermoment eingehen. So, aber jetzt müssen wir wirklich los. Mit der kostenlosen Fähre überqueren wir den Yukon River. Etwas wehmütig schauen wir zurück auf Dawson City. Schade dass wir schon gehen müssen. Zu gut hat uns die Stadt gefallen. Auf der anderen Seite des Rivers steigt die Strasse enorm steil an. Und schon haben wir einen wunderschönen Blick auf den Zusammenfluss von Klondike und Yukon River. Der Top of the World Highway verbindet Dawson City (Kanada) mit Alaska. 127 km, davon 20 km rauhe Schotterstrasse. Ihre Bezeichnung erhielt die Strasse wegen der eindrucksvollen Streckenführung entlang einer Kammlinie mit weiten Ausblicken über die Unendlichkeit des menschenleeren Landes. Und dann endlich ist er da. Der trostlose einsame Grenzübergang der nur von Ende Mai bis Ende September besetzt ist. Der amerikanische Zöllner stellt uns nur ein paar Fragen, interessiert sich aber zu unserem Erstaunen überhaupt nicht an unserem Fahrzeug. Fotos und Fingerabdrücke gibt’s wie üblich bei der Einreise in die USA auch hier. Und dann !!! Es ist geschafft, Alaska ist erreicht. Nach genau 19‘013 Kilometern überqueren wir die schon etwas kurlige Staatsgrenze von Kanada zu den Vereinigten Staaten von Amerika (Alaska). Am 3. Januar 1959 wurde Alaska als 49. Bundesstaat in die Vereinigten Staaten aufgenommen. Seit 1977 ausgedehnte Ölfelder in der Nähe von Prudhoe Bay entdeckt wurden, stieg die wirtschaftliche Bedeutung Alaskas. Der Name des Staates ist von dem Wort der Alëuten für „Festland” abgeleitet.
Auf der Alaska-Seite ist der Zustand der Strasse deutlich schlechter. Ab Jack Wade Junction befinden wir uns auf dem Taylor Highway. Nach 65 schlaglochreichen Kilometern erreichen wir Chicken. Ein grosses Schild am Strassenrand weist darauf hin; Downtown! Chicken. Nach 300 m Weiterfahrt stehen da noch 3 Häuser aus der Goldrauschzeit, heute Shop, Cafeteria und - na klar! – Saloon. Wow, cooler Ort. Sofort verlieben wir uns in diese Ortschaft mit 36 Einwohnern und beschliessen die erste Nacht in Alaska gleich hier in Chicken zu bleiben.

Nach dem Aufstehen und Frühstück machen wir uns reisefertig. Es scheint wieder ein herrlicher Tag zu werden. Die Sonne scheint und der Himmel ist wolkenfrei, ja schon kitschig blau. Gerade als wir losfahren wollen, bemerkt Rico, dass etwas am Anhänger nicht stimmt. Oh nein, wir haben ein Rad verloren! Das Reserve-Rad, das normalerweise unter dem Hänger befestigt ist, ist weg. Einfach nicht mehr da. Das Spannset mit dem es gesichert war ist zerrissen und der Halterungsbügel offen. Die Holperstrasse der letzten Kilometer hat es wahrscheinlich gelöst und wir haben es nicht bemerkt. Sch…..!! Wir haben ja schon noch eins, aber die Felge fehlt uns jetzt. Eine Trilex-Felge hier zu finden dürfte äusserst schwierig werden, ja praktisch unmöglich sein. Sofort setzen wir uns an den Laptop und versuchen per Fotos herauszufinden, wo wir es wohl verloren haben. Irgendwo zwischen Dawson City und Chicken muss sich das Rad verabschiedet haben. Wir beschliessen, dass Rico die Strecke mit dem Motorrad zurück fährt um Ausschau nach dem Rad zu halten. Vielleicht hat er ja Glück und findet es. Nachdem er die 70 km bis zur Grenze abgefahren hat, kommt er leider ohne Reserverad nach Chicken zurück. Das Rad ist und bleibt weg, so ein Mist. Vermutlich spielt schon ein Bär damit. Trotzdem verlassen wir nun Chicken und suchen uns einen Übernachtungsplatz in der Wildnis.

Frisch ausgeruht und mit einem guten Frühstück gestärkt, fahren wir weiter auf der inzwischen asphaltierten Strasse. Und dann erreichen wir Tok. Hier münden wir vom Taylor Highway wieder in den Alaska Highway. Tok entstand 1942 aus einem Strassenbaucamp und besitzt – weit auseinandergezogen – entlang des Alaska Highway eine dichte touristische Infrastruktur. Hier müssen wir wieder tanken und stellen schon zum ersten Mal fest, dass es in den USA üblich ist, mit Kreditkarte zu zahlen. Erst beim zweiten Versuch finden wir eine Tankstelle, die auch Cash-Dollars akzeptiert. Nach wenigen Kilometern erreichen wir Delta Junction. Hier endet – wie ein unübersehbares Monument am Strassendreieck ausweist – der „offizielle“ Alaska Highway. Der Rest der Strecke bis Fairbanks ist Teil des Richardson Highway, der in Delta Junction auf den Alaska Highway stösst. Ein guter Zeitpunkt für uns, eine Kaffeepause einzulegen. Es gibt diverse Restaurants entlang der Strasse, aber wir suchen uns, wer weiss, aus Intuition oder so, natürlich wieder was Spezielles aus. Mega klein, ja schon fast winzig, überstellt mit allem Möglichen zu kaufen oder auch nicht. Besucher nur Einheimische, die sich alle kennen und heftig aber lieb miteinander plaudern. Tische und Sitzgelegenheit gibt’s nur zwei, und die sind schon mit allerlei Krims-Krams überfüllt. Den Einheimischen sind wir sofort wegen unserem mobilen Gefährt aufgefallen. Wir werden ausgefragt und bewundert. So weit weg von zu Hause… Irgendwie finden wir auch noch einen Platz am Tisch und gesellen uns dazu. Ein jüngerer Mann steht auf und verlässt das Beizli mit den Worten: „Don’t go a way“ (geht nicht weg). Nach ca. 15 Minuten kommt er mit mehreren Taschen zurück, gefüllt mit Salat, Kohl, Eier, Elchsalami, Elchfleisch, Gurken, Pickles(Essiggurken) und Konfitüre. All das schenkt er uns einfach so als „Welcome to Alaska“ - oder sehen wir so ausgehungert aus? (Das meiste Geld geht ja auch für Diesel drauf.) Dankend nehmen wir das Geschenk an und ziehen von dannen. Der weitere Verlauf der Strasse bis Fairbanks ist eher reizlos. Er folgt weitgehend dem Flusslauf des Tanana River. Ein wenig Farbe ins eintönige Landschaftsbild bringen nur die schneebedeckten Gipfel der Alaska Range in der Ferne.
Kurz vor Fairbanks besuchen wir den Weihnachtsmann, der, wie amerikanische Kinder glauben, am Nordpol lebt. Und so wurde aus dem Dorf North Pole, 22 km vor Fairbanks, das seinen werbewirksamen Namen dem Vorhaben verdankt, Spielzeugwarenfirmen anzulocken, eine wichtige Adresse für Kinderbriefe an Santa Claus. Das Santa Claus House ist ein Gift Shop voller Weihnachtsartikel all year long.
Dann erreichen wir gegen abend Fairbanks.

Fairbanks besitzt heute rund 30‘600, mit Einzugsbereich sogar 83‘000 Einwohner und ist nach Anchorage und Juneau drittgrösste Stadt Alaskas. Wir machen einen Stadtbummel durch die Innenstadt. Eine gewachsene Mischung aus Alt und Neu, aus Blockhütten und anderen aus Holz errichteten Gebäuden, modernen Bürobauten, Shopping-Center und Hotels prägt das insgesamt freundliche, wenngleich langweilige Bild der Innenstadt. Vielleicht sollten wir hier einmal erwähnen, dass es in den meisten Städten von Kanada und den USA den „Wali-Camp“ gibt. Unter den meisten Reisenden ist bekannt, dass man beim Wal-Mart-Einkaufszentrum kosten- und problemlos auf dem Parkplatz mit Camper übernachten kann. Gute Sache, so hat man die Einkaufsmöglichkeit gleich vor der Tür. Wir trafen auch Leute, die schon wochenlang so standen. In Fairbanks nutzen auch wir diese Gelegenheit und machen unsere Einkäufe.

Donnerstag 30. Juli – Dienstag 04. August 2009 Dalton Highway hin und zurück 1589 km
Heute starten wir zum nächsten Etappenziel. Für uns fast schon ein Muss ist die Herausforderung Dalton Highway. Leider toben in der Umgebung mittlerweile vier grosse Waldbrände und so ist am Morgen Fairbanks völlig zugeraucht. Der Dalton Highway beginnt 130 km nördlich von Fairbanks, die Strasse dorthin führt uns über schöne Hügellandschaft, teils voll überdeckt mit roten Fireweeds (Blumen). Wegen dem Rauch bleibt uns die perfekte Weitsicht leider verwehrt. Und dann erreichen wir bei Livengood den Startpunkt des Dalton Highway. Er führt parallel zur Trans-Alaska-Pipeline über 670 km (teils Gravel-Road) zur Prudhoe-Bay an der Beaufort Sea. Die nördlichste Strasse des Kontinents mit dem höchsten Pass Alaskas läuft durch Wälder und Tundra-Gebiete über den 70. Breitengrad hinaus und endet an den Schranken zum Ölfördergebiet in Deadhorse. Zu unserem Glück hat sich nun der Rauch verzogen und die Landschaft ändert sich mit den gefahrenen Kilometern. Wir überqueren wieder einmal mehr den Yukon River. Neben uns die Pipeline, die zum Teil in Schlangenlinien irgendwo am Horizont verschwindet - und das macht das Bild interessant. Dann überqueren wir zum dritten und letzten Mal den Arctic Circle. Nun sind uns wieder 24 Stunden Sonne gewährleistet. Im Schneckentempo überqueren wir den Atigun Pass. Gigantisch ist die Sicht auf der Passhöhe. Wir haben Glück und das Wetter steht auf unserer Seite. Ab hier wird es flach, flächer geht’s gar nicht und so kommen auch die Tiere zum Vorschein. Moorhühner, Moschusochsen, Grizzlys, Caribous, Erdhörnchen (die gefährlich nahe am Strassenrand stehen, man könnte meinen sie wollen „Autogucken“) und einen Luchs haben wir gesehen. Obwohl es so flach ist, ist die Landschaft doch sehr interessant. Dann ist es da, das Ende der Strasse oder auch das „Ende der Welt“!?! Wir sind in Deadhorse (Prudhoe Bay) und haben unser eigentliches Ziel erreicht; den nördlichsten per Strasse zu erreichenden Punkt Alaskas. Deadhorse besteht nur aus Industrie und Baracken, alles dient dem Öl. Nach Fertigstellung der 1287 km langen Pipeline von Prudhoe Bay zum eisfreien Hafen Valdez verliess der erste Tanker mit Erdöl aus dem Nordpolarmeer Valdez am 1. August 1977. In den Folgejahren flossen nicht nur ungeheure Mengen Öl durch die Rohre – zur Zeit etwa 160 Mio Liter pro Tag bei einer maximalen Kapazität von 340 Mio Liter pro Tag - , sondern auch viel Geld in die öffentlichen und viele private Kassen Alaskas. Nicht nur Valdez, sondern der gesamte Staat erlebte einen kräftigen wirtschaftlichen Aufschwung. Von Anfang an floss nicht nur Öl, sondern jährlich mindestens 25% der von den Förderunternehmen an den Bundesstaat Alaska entrichteten Lizenzgebühren in einen Permanent Fund. Im Mai 2008 betrug sein Buchwert über 39 Mrd. US$. Für das Fondmanagement ist die Alaska Permanent Fund Corporation zuständig, für die jährliche Gewinnausschüttung eine staatliche Verwaltungsinstanz. So erhielt im Jahr 2007 jeder Einwohner Alaskas aus den Fonderträgen eine Dividende von US$ 1‘654. Und heute haben wir wieder den 1. August. Wir stellen uns mit unserem „Hüsli“ in ein ausgetrocknetes Flussbett (warten auf die Dividende!) und feiern den Schweizer Nationalfeiertag auf unsere Weise. Zu diesem Zweck haben wir uns natürlich einen feinen Wein aufgespart. Nachdem uns unser „Hüsli“ bis zum nördlichsten Punkt des amerikanischen Kontinents brachte, beschliessen wir, dass uns unser Saurer auch zum südlichsten Punkt (Feuerland) dieses Kontinents bringen soll.



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