Reisebericht vom 29. September 2009

Nun rasen wir erneut auf dem Alaska Highway entlang, aber diesmal Richtung Süden. Stundenlang, Hunderte von Kilometern. Landschaftlich nichts Neues für uns. Wir plangen schon richtig und endlich erreichen wir Haines Junction. Gerade mal 810 Einwohner leben hier am Strassendreieck Alaska/Haines Highway. Der Ort ist nicht sehr aufregend, die einzige Sehenswürdigkeit die uns sofort ins Auge sticht ist der „Muffins“. Ein künstlich errichteter „Berg“ auf den ein Künstler alle Tiere der Gegend spielerisch gesetzt hat. Steht direkt am Highway und ist irgendwie noch lustig. Ab hier zweigen wir auf den Haines Highway ab. Kurz nach der Ortschaft erblicken wir per Zufall wieder mal ein traumhaftes Plätzli, direkt am Fluss. Für uns ein Muss, hier zu übernachten.

Die Strasse von Haines Junction nach Südosten folgt dem Verlauf des alten Dalton Trail der während des Goldrausches einen alternativen Weg nach Dawson City bot. Ein Frank Dalton hatte schon 1890 das erste Teilstück angelegt, später Handelsposten errichtet und sich damit eine Goldgrube geschaffen. Hohe Wegzölle für die Benutzer seiner Strasse produzierten mehr Gewinn als die meisten Claims der Goldfelder. Aber bereits 1900 verlor der Dalton Trail mit der Fertigstellung der Eisenbahn von Skagway nach Whitehorse seine Bedeutung. Erst im Zweiten Weltkrieg baute die US-Armee den Trail als strategisch wichtige Verbindung von der Küste zum Alaska Highway aus. Heute ist die grandios geführte, mittlerweile vollständig asphaltierte Strasse rund ums Jahr befahrbar. Speziell der 75 km lange Mittelabschnitt in British Columbia um den Chilkat Pass (1065 m) fasziniert uns durch sein herrliches Panorama über eine weite baumlose Hochebene. Mit der Grenzüberschreitung nach Alaska wechselt für uns erneut die Zeitzone. Juhee, eine Stunde mehr Ferien. Im Mündungsbereich des Chilkat River gelingt es uns, die Weisskopf-Seeadler zu beobachten. Ende August beginnt der Lachsauftrieb in Flüssen und Bächen, ein gefundenes Fressen für die Adler. Und schon erreichen wir Haines (2‘300 Einwohner) Der verschlafene Ort liegt auf einer weit in den Lynn Kanal hinein ragenden Landzunge. Haines liegt zwischen schnee- und gletscherbedeckten Gipfeln und Meer und dazu rundherum in unberührter Natur. Von hier wollen wir mit der Fähre nach Skagway übersetzen. Also erkundigen wir uns über die Abfahrtszeiten und die Preise. Für uns passt der Preis von U$ 204.-- und die Fährpassage morgen Abend. Zur Übernachtung wählen wir den staatlichen Campingplatz, der liegt 9 km stadtauswärts am Chilkoot Inlet und ist grosszügig angelegt.

Wir lassen uns wieder einmal Zeit beim Aufstehen. Wir haben den ganzen Tag zur Verfügung und so fahren wir erst gegen Mittag zurück in den Ort und hängen rum. Am frühen Abend bewegen wir uns zum 7 km entfernten Terminal der Alaska Ferries. Ziemlich pünktlich um 07:30 h verladen wir unser Hüsli auf das Schiff, das uns in 1 Stunde nach Skagway bringt. In Skagway geht alles sehr schnell. Es ist bereits dunkel, gleich am Hafen gäbe es einen Campground auf dem wir aber wegen unserer Übergrösse keinen Platz finden. Auch gut so, ein Einheimischer gibt uns einen Insider-Tip; nach der Brücke links runter, beim Fluss, no Problem – da stehen wir gratis und gut.

Skagways einzigartige Lage am Taiya Inlet des langgestreckten Fjords Lynn Canal und Skagway River unter hochaufragenden Bergen rechtfertigen den Besuch in die nördliche Ecke von Alaskas Inside Passage. Skagway strahlt auf uns einen magischen Charme aus. Diese gut gelungene Mischung aus Alt-Western-Stile und Modern überspielt gekonnt, dass es an jeder Ecke von Juwelier-Läden umgeben ist. Skagway zählt heute rund 900 Einwohner, und tagsüber – wenn die gigantischen Kreuzfahrtschiffe anlegen – ein Vielfaches davon an Passagieren auf Landgang. Zurzeit sind gerade drei der schwimmenden Riesen am Pier. Für die Erhaltung des historischen Städtchens wurde in den letzten Jahren viel getan. Die meisten Gebäude an der Hauptstrasse „Broadway“, die mit ihrem New Yorker Namensvorbild nichts gemein hat, stehen heute als Bestandteil des Klondike Gold Rush unter Denkmalschutz. Sie wurden restauriert oder erhielten neue Vorderfronten im alten Stil. Der ehemalige Bahnhof der White Pass + Yukon Route dient als Visitor Center. Bis zur Fertigstellung der Strasse 1981 bildete die Schiene die einzige Verbindung über den White Pass zwischen Skagway/Alaska und Whitehorse/Kanada. Aber bereits 1982 wurde der Linienbetrieb eingestellt. Wir verlassen Skagway Richtung White Pass (873 m). Er markiert nach 23 Strassenkilometern die Grenze USA/Kanada. Es geht schnell und ohne Probleme und schon sind wir wieder in Kanada. Auf den nun folgenden Kilometern durch den nordwestlichsten Zipfel von British Columbia verführen uns spektakuläre Landschaftspanoramen zum Anhalten und fotografieren an jedem Aussichtspunkt. Am Windy Arm des Tagish Lake passieren wir die Ruinen ehemaliger Gold- und Silberminen. Ein wunderschöner See lädt uns zum Bleiben ein und das Alpenpanorama rundherum präsentiert uns eine herrliche Abendstimmung.

Wir fahren weiter den Pass hinunter und erreichen so wieder Carcross. Erneut halten wir für eine Kaffeepause. Hier können wir sagen, dass sich für uns der Kreis der Alaska-Rundreise geschlossen hat. Ab hier fahren wir zwecks Einkaufsmöglichkeiten etwas zurück nach Whitehorse. Alles Nötige wird eingekauft, aufgefüllt und wieder mal der gute, alte Wal-Markt-Camp (Einkaufscenter) in Beschlag genommen.

Um unsere Reise Richtung Süden fortzusetzen, müssen wir notgedrungen auf dem Alaska Highway bis Upper Liard zurückfahren. Also für uns nichts Neues, einfach alles in umgekehrter Richtung.

Wieder plangen wir, bis wir endlich die Abzweigung vom Alaska Highway kurz vor Watson Lake auf den Cassiar Highway erreichen. Die Strasse von Watson Lake nach Kitwanga am Yellowhead Highway wurde als durchgehender Cassiar Highway erst 1972 für den öffentlichen Verkehr freigegeben. Die Strecke war aber noch Jahre nach Eröffnung eine Prüfung für Fahrzeug und Fahrer und bei schlechtem Wetter ohne Vierradantrieb nur mit Mühe zu bewältigen. Der 750 km lange Cassiar Highway ist aber mittlerweile bis auf drei insgesamt rund 50 km lange Teilstücke vollständig asphaltiert. Also für uns und unser „Hüsli“ sicher keine Herausforderung. Wir kommen relativ schnell und zügig voran. Da aber der Belag auf dieser Strasse zum Aufbrechen neigt, gehören Baustellen auch auf schon befestigten Stecken zum üblichen Bild. Der grösste Abstand zwischen Tankstellen beträgt an zwei Streckenabschnitten jeweils rund 140 km. Die Tankstellen sind zumeist Teil eines Servicekomplexes mit Werkstatt und General Store für Lebensmittel usw. Von einer „richtigen“ Ortschaft samt Infrastruktur kann nicht die Rede sein. Good Hope Lake und Iskut sind auseinandergezogene Indianersiedlungen an denen wir nur kurz zum Kaffeetrinken und toilettieren halten. So erreichen wir nach x Stunden Fahrt Meziadin Junction. Hier beginnt die Stichstrasse 37A nach Stewart/Hyder. Sie führt uns durch eine grandiose Landschaft. Gletscher und Wasserfälle begleiten sie. Nach 24 km kommt der eindrucksvolle Bear Gletscher mit Gletschersee Strohn Lake in Sicht. Wir haben Glück und sonniges Wetter. So schimmert der Gletscher in einem herrlichen blau. Weiter geht es am Bear River entlang und durch seinen malerischen Canyon. In der Höhe sehen wir Dallschafe und Bergziegen. Nach weiteren 65 km erreichen wir Stewart (500 Einwohner). Stewart liegt – umringt von hohen Gipfeln – am Ende des 180 km langen Portland Canal, der natürlichen Grenze zwischen dem Südzipfel Alaska und Kanada. Diese Lage und die offene Grenze bilden die Attraktion des Ortes, in dem es sonst nichts zu sehen gibt. Unmittelbar jenseits von Stewart liegt auf dem Boden Alaskas die Gemeinde Hyder. Die nur durch zwei Schilder und bunte Wimpel kenntlich gemachte internationale Grenze wird bei der Einreise nach Kanada tatsächlich kontrolliert, in die USA nicht, da jegliche Verbindung zu irgendwelchen anderen Orten in Alaska fehlt. Auch wenn die Grenze praktisch bedeutungslos ist, teilt sie doch offiziell zwei Nationen. Ob Stewart in Kanada oder Hyder in Alaska, in beiden Orten gelten unterschiedliche Regeln und Gesetze, das betrifft sogar die Zeitzonen. In Hyder gilt Alaska Time, theoretisch eine Stunde Zeitgewinn gegenüber Pazifik Time in Stewart. Also für uns wieder eine Stunde mehr Ferien. 6 Kilometer nördlich des Ortes Hyder wartet am Salmon River ein Naturschauspiel besonderer Art. Zwischen Mitte Juli und Anfangs September ziehen im flachen Wasser des Fish Creek mächtige Lachse bachaufwärts. Von einer eigenen Aussichtsplattform kann man beobachten, wie nur wenige Meter tiefer sowohl Grizzlys als auch Schwarzbären mit fast bewegungslosen Lachsen leichtes Spiel haben und genüsslich ihren Fang vertilgen. Wir halten kurz, aber um die Bären beim Fischen zu beobachten ist jetzt der falsche Zeitpunkt. Morgens und Abends sind die Chancen am Besten. Wir gehen zu unserem „Hüsli“ zurück, ups und schon kommt ein grosser Grizzly aus dem Gebüsch und kreuzt praktisch unseren Weg. Anscheinend hat er schon genug Fische erwischt, denn er ist zum Glück nicht an uns interessiert. Trotzdem schaut er uns verwundert und misstrauisch an, watschelt gemütlich ein kurzes Stück neben uns her und verschwindet dann wieder im Gebüsch. Wow, etwas weiter vorne steht schon der nächste Bär auf der Strasse. Bären sind hier überall, nichts desto trotz ist immer Vorsicht geboten, sie sind und bleiben Raubtiere. Hinter der Brücke über den Fish Creek führt die Strasse zunächst weiter dem Salmon River entlang und dann kurvenreich und rumpelig hinauf zur inzwischen stillgelegten Granduc Copper Mine. Die 18 Kilometer ab Fish Creek zu den Aussichtspunkten auf den Salmon Gletscher muss man auch bei schlechtem Zustand der Rumpelpiste durchhalten. Der Blick über diesen Gletscher ist bis zum Summit View Point atemberaubend. Etwas abseits des Aussichtspunkts erblicken wir einen perfekten Platz mit genau „der“ perfekten Sicht auf und über den Gletscher. Nach einigem rangieren, ausbalancieren und verkeilen steht unser „Hüsli“ nahe dem Abgrund, aber so, dass wir aus unserem „Esszimmer“-Fenster den vor uns liegenden Gletscher, die Berge und das Panorama geniessen können. Auf unserem Balkon sitzen wir in der Sonne und sagen leise vor uns hin: Wow, das ist es……….!

Schon am Morgen scheint die Sonne in unser Schlafzimmer, der Himmel ist stahlblau, es wird ein perfekter Tag. Unser Standort über diesem Gletscher ist so schön, dass wir beschliessen für heute hier stehen zu bleiben. Wann kommt man schon wieder so nahe an und über einen Gletscher heran.

Wir stehen extra sehr früh auf, denn wir wollen heute im Tal beim Fish Creek den Bären beim Frühstück zusehen. Schon vor 8:00 h stehen wir auf der Plattform und mit uns diverse Profi-Fotografen. Ihre Ausrüstung ist so enorm umfangreich, dass wir uns als kleine Fischli fühlen. Teleobjektive so gross wie Ricos ausgestreckter Arm! Etwas beschämt stellen wir unser kleines Stativ und Kamera zwischen die Grossen und warten, und warten, und warten. Vergebens. Nachdem alle Fotografen wieder abgezogen sind, beschliessen auch wir nach Stewart zum Einkaufen zu fahren und es am Abend erneut zu versuchen. Auf dem Weg erblicken wir in der Ferne zwei Bären am Fischen. Fast eine Stunde lang beobachten wir die Zwei mit dem Feldstecher wie sie genüsslich Fische aus dem Fluss ziehen und zwischendurch in aufrechter Position miteinander balgen. Unweit der Bären sehen wir immer wieder einen mächtigen Weisskopfadler der sich seinen Teil der Fische abholt.
Nach getanem Einkauf in Stewart kehren wir erneut über die Grenze zurück nach Hyder und versuchen nochmals unser Glück einen Bären aus nächster Nähe beim Nachtessen zu beobachten. Nach einiger Zeit des Wartens erscheint doch tatsächlich einer. Erst schwimmt er über den kleinen Tümpel und erreicht nur wenige Meter unter uns den Bach mit den Leckereien (Lachsen). Die Bären sind überhaupt nicht mehr hungrig, sie haben sich bereits über den Sommer eine dicke Fettschicht angefressen, die sie durch den Winter bringen muss. Der übergewichtige Grizzlybär holt sich 3-4 grosse Lachse aus dem Bach, verzehrt sie und verschwindet wieder. Schon eindrücklich, das zu beobachten und gut kein Lachs zu sein. Es ist schon dunkel und in den einzigen vorhandenen Campground zu gehen haben wir keine Lust. Also quetschen wir uns an den Waldrand zum Übernachten.

Wir verlassen Hyder und so auch endgültig Alaska. Der weitere Verlauf unserer Reise führt uns nach Südosten in die Rocky Mountains. Wieder zurück auf dem Cassiar Highway fahren wir weiter südwärts bis nach Kitwanga wo wir wieder auf den Yellowhead Highway stossen. Ab hier fahren wir nach Osten und erreichen gegen Abend Smithers.

Zwecks touristischer Profilierung hat man in Smithers (5‘200 Einwohner) vielen Fassaden ein alpenländisches Aussehen verpasst. Viele Schweizer haben sich in Smithers niedergelassen, und so darf ein Alphornbläser, der auf der Kreuzung steht, nicht fehlen. Da an unserem Anhänger immer noch das Schild „From Switzerland to Alaska“ hängt, werden wir natürlich sehr schnell angesprochen. Ein Passant, mit dem wir einige Worte gewechselt haben, informiert umgehend die Zeitung von unserem Dasein und so kommt es, wie es kommen muss; schon sitzen wir beim Interview mit einem Reporter. Nach diesem kurzen Zeitvertreib verlassen wir Smithers. Kurz vor Houston steuern wir eine Picknick Area an, die malerisch an einem See liegt. Zu schön um einfach weiterzufahren, also bleiben wir gleich hier.

Bis Houston ist es nicht mehr weit. Haupterwerbszweig in Houston ist die Holzindustrie. Hier hat der Yellowhead Highway die Gebirgslandschaft endgültig hinter sich gelassen und die Seenplatte des Interior Plateau erreicht. Gleichzeitig wird die Strecke monotoner und bietet bis zum 310 km entfernten Prince George keine nennenswerten Höhepunkte mehr.

Prince George mit 71‘000 Einwohnern spielt als Knotenpunkt der Ost-West- und Nord-Süd-Achse von Schiene und Strasse und als Versorgungszentrum eines weiten Umlandes eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Sägemühlen und Papierfabriken unterstreichen die Bedeutung der Holzindustrie. Da die Stadt keine besonderen Sehenswürdigkeiten besitzt, ist sie für uns im Wesentlichen Durchgangsstation. Der Yellowhead Highway besitzt zwischen Prince George und Tete Jaune Cache trotz des an sich schönen Verlaufs im Fraser River Valley zwischen Rocky Mountains und Cariboo Mountains keine nennenswerten Höhepunkte.



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